Döp here for impact

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Mai 25, 2016, 11:31 vorm. GMT+0

Haben Sie im Laufe des heutigen Tages schon einmal den Song „Live is live“ von Opus oder „Eye of the tiger“ von Survivor gehört? Erinnern sie sich an das tausendkehlige „dö dödö dö dö döö döö“ während der Fußball-WM 2006 und EM 2008 – wobei es sich übrigens um den Song „Seven Nation Army“ der White Stripes handelt – und haben es wieder im Ohr? Die hier exemplarisch genannten Songs stehen für hunderte Lieder, die uns seit Jahrzehnten immer wieder im Radio begegnen - beziehungsweise einfach ein hohes Ohrwurmpotenzial besitzen – im positiven oder negativen Sinne. Wobei Sie im Ohrwurmstadium zumeist eher onomatopoetische Formen annehmen als wirklich erkennbar zu sein. Für seine aktuelle Werbekampagne „The Saviour“ nutzt der Streaming-Anbieter Deezer nun das Phänomen eines nervigen Ohrwurms, in Form von Scooters „Maria, I like it loud“, in Kombination mit einem Seitenhieb auf konventionelles Radio, das die ewig gleichen „Hits der 80er, 90er und das Beste von heute“ in einer als Dauerschleife wahrgenommenen Wiederholungsrate herunternudelt. Zusammen mit einer durch den Kontext kafkaesk anmutenden Darstellung des Alltags des Protagonisten bewirbt Deezer so sein Musik-Streaming-Angebot. Wie der von der Berliner Agentur Dojo produzierte Spot bei den Zuschauern ankommt, haben wir uns im Reel-Werbecheck für Horizont angeschaut.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 04. bis 09. Mai 2016 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 214 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für PayPal, Total, McDonalds und Jaguar getestet.

Jugendlicher Spätzünder mit Problemen

Ein Blick auf die Reel-Kurve zeigt: der Spot holt die Gesamtheit der Zuschauer nicht so richtig ab. Mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 47 verfehlt er nicht nur deutlich den Benchmark, sondern bleibt auch fast über die gesamte Länge des Spots unter dem als neutral zu bewertenden Score von 50. Dabei liegt das gemessene Involvement der Zuschauer über dem Benchmarkvergleich – womit er deutliche Reaktionen hervorruft, jedoch leider negative. Der einzige, wenn auch schwach positiv bewertete Moment liegt direkt am Anfang in der Badezimmerszene. Hier steigt der Score auf sanfte 52 an, um direkt im Anschluss in einer fast durchgehenden Bewegung auf 44 herabzusinken. Zumindest ruft die inhaltliche und akustische Wende, in der der Hauptprotagonist vom Deezer-Testimonial aus dem nervtötenden Alltagstrott gerettet wird, die erhoffte Wirkung hervor und das Blatt für den Spot wendet sich – leider zu spät, um die Bewertung noch vor dem Branding in den positiven Bereich zurückzuführen. Der Reel-Score@Branding liegt daher bei unterdurchschnittlichen 48, obwohl die Platzierung im Kontext des Spots als durchaus gelungen bezeichnet werden kann. Was die Auswertung der Echtzeitbewertung jedoch auch zeigt: Kritiker finden sich vor allem unter den älteren Zuschauern. Der Spot ist etwas für die Jüngeren. Unter den bis 29-Jährigen wird er durchweg positiv bewertet und peaked am Ende bei einem Score von 58.

Einzigartig - aber nicht mitreißend

Betrachtet man die Ergebnisse der Befragung, so zeigt sich der Spot durchwachsen. So liegt beispielsweise die Bewertung der Uniqueness des Spots mit 71 Prozent deutlich über dem Benchmark, fast neun von zehn Befragten (87 Prozent) sehen eine Passung des Spots zur Marke. Im Benchmark bewegt sich der Spot bei der Bewertung der Verständlichkeit (80 Prozent), Glaubwürdigkeit (65 Prozent) und des Humors (60 Prozent). Gleichzeitig hat der Spot nur einem Viertel der Befragten (24 Prozent) sehr gut oder ausgezeichnet gefallen, nur etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) findet ihn sympathisch und die Hälfte bezeichnet ihn als angenehm (50 Prozent). Alle genannten Werte liegen unter dem Benchmark. Dies gilt tendenziell auch für die Bewertung der Modernität des Clips. Zwar sagt mit 68 Prozent eine deutliche Mehrheit der Befragten, der Spot sei modern, aber auch hier wäre im Vergleich zum Benchmark noch Luft nach oben.

Auch bei den Gestaltungsmerkmalen punktet der Spot bei den Zuschauern nicht besonders und bleibt hinter dem Vergleich zurück: So bewerten nur 28 Prozent die Handlung und nur 32 Prozent die optische Umsetzung als sehr gut oder ausgezeichnet. Ähnliches gilt für die Farben, die Darsteller, die Schauplätze sowie gesprochene Inhalte und gezeigte Texte. Dass nur ein Viertel der Befragten (28 Prozent) die verwendete Musik gut finden, könnte im Kontext des Spots durchaus als Erfolg gewertet werden – im Benchmarkvergleich bleibt auch diese Dimension allerdings dahinter zurück. In Bezug auf das Markenbild wirkt der Spot unter den Kennern der Marke polarisierend: Für etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent) verbessert er ihr Bild der Marke, für weitere 13 Prozent verschlechtert es sich durch den Spot – beide Werte liegen über dem Benchmark. Gleichzeitig geben fast zwei Drittel (62 Prozent) der Markenkenner an, der Spot vermittle insgesamt ein positives Markenbild. Auch in der Post-Hoc-Befragung zeigt sich das Bild, welches die Analyse des Reel-Scores schon angedeutet hat: Die Jüngeren bewerten den Spot fast durch die Bank weg etwas besser.

Scooter nervt – und auch wiederum nicht

Die gute Bewertung der Verständlichkeit in der gestützten Abfrage zeigt sich auch in der offenen Frage nach der Kernaussage der Werbung: „Deezer spielt genau die Musik, die mir gefällt“, „Mehr Auswahl“ und „keine Wiederholungen, sondern das was ich hören will“, fassen die hier genannten Aussagen am besten zusammen. Was gut ankommt? In gewisser Weise genau dasselbe was schlecht ankommt: So beschäftigen sich viele positive und negative Nennungen mit dem persiflierten Song von Scooter, der durchaus bekannt zu sein scheint – und eben polarisiert. Die positiven Anmerkungen wie „die Scooter Hymne, die tot gespielt wird...kommt lustig rüber“ oder „die Musik und die Personen fand ich sehr gut“ und „die Idee mit dem döp döp döp“ stehen hier negativen Aussagen wie „die Gesangseinlagen zu Beginn“, „der Anfang mit der komischen Musik“ sowie „jeder singt döp – einfach nervig“ gegenüber. Der Nerv-Faktor des Spots wird in den offenen Nennungen ebenfalls gegensätzlich thematisiert. Für einige ist er das, was den Spot erst lustig macht, für andere der Grund den Spot nicht zu mögen.

Wer richtig döpt, gewinnt

Der aktuelle Deezer-Spot polarisiert wie Erdnussbutter oder Apple: Entweder man mag ihn - oder eben nicht. Dabei zeigt sich deutlich, dass das junge, markenaffine Publikum, den Humor des Spots durchaus erkennt und deutlich besser bewertet als ältere Semester. Das ist ja schon mal prima. Ob dies an der Wahl der Musik liegt oder daran, dass es sich besser mit dem von allen Seiten „zugedöpten“ Protagonisten identifizieren kann, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Für den Spot-Impact ist wegen der relativ spitzen Zielgruppe daher die Platzierung im richtigen TV-Umfeld besonders wichtig, damit das durchaus eingängige „döp döp döp“ auf offene Ohren trifft. Eine Lösung für das Zielgruppen-Altersproblem hat Dojo für Deezer allerdings schon mitgeliefert: In einer zweiten Version des Clips ertönt statt Scooter die wohl auch bei den Älteren zu genüge bekannte Kiss-Hymne „I was made for lovin` you“ – Vielleicht klappt es dann auch besser mit der Gegenliebe der Zielgruppe 30plus.

So erschienen auf Horizont Online.

Bild: dpa