Viele Vorschusslorbeeren für Tesla

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
April 11, 2016, 10:54 vorm. GMT+0

276.000 Bestellungen in nur drei Tagen – eine beeindruckende Zahl, die danach klingt, als sei der kalifornische Elektroautobauer Tesla im Massenmarkt angekommen. Das neue Auto „Model 3“, das frühestens 2017 ausgeliefert wird, soll rund 31.000 Euro kosten – ein durchaus konkurrenzfähiger Preis.

Die Nachricht des großen Interesses am neuen Elektroauto wurde schnell ergänzt mit Hinweisen darüber, dass Tesla die versprochenen Stückzahlen im versprochenen Lieferzeitraum zum versprochenen Preis nicht wird halten können. Die Süddeutsche Zeitung vermutet höhere Preise und schreibt: „Bislang ist das Unternehmen nicht nur ein innovativer Auto- und Batterienbauer, sondern auch eine gut funktionierende Geldverbrennungsanlage.“ Das Handelsblatt zitiert Brian Johnson, Autoexperte der britischen Bank Barclays, der vor einer „Atmosphäre wie am Schwarzen Freitag“ warnt und auf eine mögliche Blase hinweist.

So skeptisch mancher Experte ist – die Verbraucher nehmen die aktuellen Meldungen über Tesla positiv wahr. Betrachten wir im Buzz des YouGov-Markenmonitors BrandIndex die Daten der vergangenen Woche, führt Tesla derzeit mit großem Abstand vor allen anderen. Keine Automarke ist in Deutschland derzeit unter den jeweiligen Kennern der Marke so positiv im Gespräch wie der kalifornische Elektroautobauer. Dass ein hochwertiges, elektrisch betriebenes Auto zu einem Preis eines gut ausgestatteten VW Passats verkauft werden soll, scheint die Verbraucher zu interessieren: 19 Prozent aller Deutschen haben aktuell etwas über Tesla wahrgenommen. Das sind mehr Nennungen als etwa BMW (die gerade mit viel Bohei Geburtstag feierten ), Audi und Opel erreichen.

Im Heimatland USA ist das ähnlich: Verbraucher, die die Marke kennen, bewerten die Nachrichten als sehr positiv, keine andere Marke ist in der Wahrnehmung der Verbraucher noch stärker im öffentlichen Gespräch. Ausgerechnet in Norwegen aber, wo Tesla wegen der staatlichen Subventionen für Elektrofahrzeuge schon weit verbreitet ist, hat es Tesla derzeit schwer. Über mehrere Wochen war der Buzz sogar im negativen Bereich. Mitverantwortlich dafür könnten wohl Pläne der Regierung sein, Subventionen zu kürzen bzw. Steuern für Elektroautos zu erhöhen. Und dann ist in Norwegen kürzlich auch noch ein Tesla S-Modell in die Schlagzeilen geraten, weil es beim Ladevorgang Feuer fing.

Doch trotz punktueller Rückschläge und prognostizierter Produktionsschwierigkeiten: Tesla hat sich bereits als Marke etabliert. In den USA erreicht Tesla im Index unter den Kennern der Marke derzeit +14 Punkte. Der Index fasst mehrere Kategorien wie Qualitätswahrnehmung oder Arbeitgeberimage zusammen und ist daher die aussagekräftigste Beschreibung der Beliebtheit einer Marke. +14 Punkte sind noch nicht spitze – Toyota und Honda liegen bei +41 bzw. +39. Doch beliebter als die traditionsreiche Automarke Dodge ist Tesla schon.
Auch in Deutschland hat Tesla eine gute Ausgangslage. Unter den Markenkennern werden im Index aktuell schon +14 Punkte erreicht.

In den USA wie in Deutschland hat Tesla bisher dieselben Stärken und Schwächen. Der Marke wird ein guter allgemeiner Eindruck bescheinigt, eine solide Qualität und, vor allem: Tesla erscheint als attraktiver und damit sicher auch zukunftsfähiger Arbeitgeber. Der Tesla-Chef Elon Musk inszeniere die elektrische Mobilität als Lifestyle, schreibt das Handelsblatt – das Model 3 sei nicht nur ein Auto, sondern ein Statement. Ein Statement, mit dem viele Verbraucher anscheinend etwas anfangen können: In den USA liegt Tesla bei der Beliebtheit als Arbeitgeber gleichauf mit den beliebten Marken Honda und Ford. In Deutschland erscheinen den Kennern der jeweiligen Automarken nur BMW, Mercedes Audi und Porsche als noch attraktivere Arbeitgeber.

Ein Minus verzeichnet Tesla – man kann es sich denken – derzeit noch beim Preis-Leistungs-Verhältnis. Elektroautos gelten als teuer, und sie sind es in der Regel ja auch, zumindest was die Anschaffungskosten im Vergleich zu Modellen mit Verbrennungsmotor angeht. In den USA bewerten die Markenkenner das Preis-Leistungs-Verhältnis von Tesla mit -6 Punkten. In Deutschland liegt die Marke in dieser Kategorie mit -1 Punkt ebenfalls im negativen Bereich.

Doch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist nur eines von vielen Kriterien. Audi zum Beispiel – in dieser Kategorie mit null Punkten dicht dran an Tesla – erregt zurzeit trotzdem großes Kaufinteresse. Keine andere Marke wird zurzeit von allen Deutschen häufiger auf die Frage genannt, welche Marke sie bei einem Autokauf am ehesten wählen würden.

Auch Tesla schneidet hier schon gar nicht schlecht ab und wird häufiger genannt als Land Rover, Volvo oder Smart. Diese Autos sieht man auf deutschen Straßen gar nicht mal so selten. Bleibt für Tesla zu hoffen, dass das Unternehmen die hohen Erwartungen und das große Interesse potenzieller Käufer auch bedienen kann. Aktuell lebt die Marke noch von den Erwartungen die auf Tesla projiziert werden. Dass die Wahrheit aber auf der Straße liegt, zeigen die Werte aus Norwegen.

Die vollständige Kolumne finden Sie hier.

Bild: dpa

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