Jeder Dritte hat "Faust" in der Schule gelesen

Februar 19, 2016, 1:00 vorm. GMT+0

Hermann Hesse, Thomas Mann und Anne Frank wurden früher häufiger im Unterricht behandelt – Büchners „Woyzeck“ ist einer der Aufsteiger.

In deutschen Schulen hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einiges getan. Neue pädagogische Konzepte wurden ausprobiert, behalten oder wieder verworfen. Computer erhielten Einzug, Wandtafeln wurden vielerorts durch Whiteboards oder sogar „Smartboards“ ersetzt. Vielerorts wurde die Schulzeit verkürzt, was aber teilweise wieder rückgängig gemacht wurde. Insgesamt keine gute Entwicklung, wenn man die Mehrheit fragt.

Dass selbst die Bücher, die in der Schule gelesen werden, immer wieder geändert werden, zeigt nun eine aktuelle YouGov-Umfrage. Dabei wurden knapp 1500 volljährige Personen zu insgesamt 27 deutschsprachigen literarischen Werken befragt, ob sie diese in der Schule gelesen haben.

Insgesamt am häufigsten wurde demnach in deutschen Schulen in den vergangenen Jahrzehnten Goethes „Faust I“ gelesen – 30 Prozent der Befragten geben an, das Stück in der Schule durchgenommen zu haben. Auf den Plätzen folgen das Tagebuch der Anne Frank (27 Prozent), Goethes Werther (25 Prozent) und „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller (23 Prozent).

Auch wenn insbesondere die Werke von Goethe und Schiller in allen Altersgruppen besonders häufig genannt wurden, gibt es durchaus Werke, die gewissen Moden unterworfen sind. So scheint Hermann Hesses „Steppenwolf“ früher einmal deutlich beliebter gewesen zu sein: Haben das Buch nach eigenen Angaben noch 16 Prozent der Über-55-Jährigen in der Schule durchgenommen, sagen dies von den 18- bis 24-Jährigen lediglich 3 Prozent. Ähnlich sieht es zum Beispiel bei den Buddenbrooks (25 bzw. 5 Prozent) aus, während Georg Büchners „Woyzeck“ in den vergangenen Jahren offensichtlich wiederentdeckt wurde. Acht Prozent der in den 50er-Jahren oder eher geborenen, aber 19 Prozent der in den 90er-Jahren geborenen haben das Dramenfragment aus dem Jahr 1879 in der Schule gelesen.

% der Befragten, die in Ihrer Schulzeit die jeweiligen literarischen Werke gelesen haben (geordnet nach Gesamt-%). Bewegen Sie den Mauszeiger über ein Werk, um die jeweiligen Werte zu sehen.

20. Jahrhundert

19. Jahrhundert

18. Jahrhundert

17. Jahrhundert oder eher

...

Rest: Keines davon/Keine Angabe; 9. bis 12. Februar 2016

Auch das Tagebuch der Anne Frank wurde offenbar früher häufiger in der Schule gelesen – fragt man allerdings danach, was in der Schule gelesen werden sollte, landet das Buch in allen Altersgruppen vorne. Insgesamt 35 Prozent wählten es als eines von höchstens fünf Büchern aus, die auf keiner Leseliste fehlen sollte. Auffällig ist aber auch, dass 29 Prozent der 18- bis 24-Jährigen (insgesamt 16 Prozent) sagen, in der Schule sollte Adolf Hitlers „Mein Kampf“ gelesen werden. Anfang des Jahres ist das Urheberrecht an dem Buch abgelaufen, es gibt jetzt eine kommentierte Version. Ende 2015 hatte in einer YouGov-Umfrage zudem jeder vierte Befragte angegeben, das Buch zumindest in Teilen einmal lesen zu wollen – unabhängig von der eigenen politischen Einstellung.

Übrigens waren in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die Schullektüren Moden unterworfen. Auch die Berufswünsche der Kinder änderten sich im Laufe der Zeit.

Auf Basis des YouGov Omnibus wurden 1499 Personen im Zeitraum vom 9. bis 12. Februar 2016 repräsentativ befragt.

Bild: "Der Weimarer Musenhof" (Schiller liest in Tiefurt, rechts vor der Säule stehend Goethe), Gemälde Theobald von Oer, 1860