Mehrheit der Deutschen lehnt Fraktionszwang ab

August 25, 2015, 12:00 vorm. GMT+0

Dass Abgeordnete dazu gedrängt werden, so wie ihre Fraktionskollegen zu stimmen, lehnen viele Deutsche ab. Stattdessen sollten sie sich daran orientieren, was sie mal versprochen haben.

„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages […] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“, heißt es in Artikel 38 des Grundgesetzes. In der Praxis sieht das oft aber anders aus. Denn die Abgeordneten aller im Bundestag vertretenen Fraktionen sind angehalten, in aller Regel so abzustimmen wie die Fraktionskollegen. Vor wichtigen Abstimmungen – wie kürzlich jener zu neuen Griechenlandhilfen – versuchen führende Abgeordnete regelmäßig, die „Abweichler“ in ihren Fraktionen auf Kurs zu bringen.

Dabei sehen viele Deutsche die Praxis von „Fraktionsdisziplin“ oder sogar „-zwang“ eher kritisch. Das ist das Ergebnis einer aktuellen YouGov-Umfrage. Demnach sagen gut zwei Drittel der Befragten (69 Prozent), dass sie so etwas „eher“ oder „ganz und gar“ ablehnen. Jeder Sechste (18 Prozent) befürwortet die Praxis, die eben auch zur Stabilität einer Parlamentsmehrheit und damit zum Funktionieren einer Regierung beitragen kann.

Ablehnung findet die Praxis dabei in allen Bevölkerungsgruppen: Die Mehrheit von Männern und Frauen, Jungen und Alten sowie Ost- und Westdeutschen lehnt sie ab. Und auch die Wähler aller im Bundestag vertretenen Parteien sprechen sich gegen Fraktionsdisziplin und –zwang aus – wenn auch in unterschiedlichem Maße. So ist die Ablehnung zum Beispiel bei den Anhängern der Linkspartei wesentlich größer (81 Prozent) als unter den Unions-Wählern (67 Prozent).

Doch woran sollten sich die Politiker orientieren, wenn nicht an der Linie von Partei und Fraktion? Geht es nach den Wählern, dann sollten die eigenen Wahlversprechen einer der wichtigsten Maßstäbe sein. Zwei von drei Befragten (64 Prozent) halten dies für einen der wichtigsten Maßstäbe für politische Entscheidungen, jeder Vierte (25 Prozent) sogar für den allerwichtigsten.

Damit liegen die Wahlversprechen sogar knapp vor dem „eigenen Gewissen“. Dabei heißt es im schon zitierten Artikel 38 des Grundgesetzes weiter, die Abgeordneten des Bundestages seien „nur ihrem Gewissen unterworfen“. Doch nur gut jeder Zweite (57 Prozent) zählt das Gewissen der Politiker überhaupt zu den wichtigsten Entscheidungsmaßstäben, jeder Vierte (24 Prozent) hält es für den Allerwichtigsten.

Auf Basis des YouGov Omnibus wurden 1294 Personen im Zeitraum vom 14. bis 21. August 2015 repräsentativ befragt.

Fotos: Markus Schreiber/AP/Press Association Images